Teil II
Wann darf ein Steak als vegan bezeichnet werden? – Regulatorische Einschränkungen bei veganen Fleischproduktalternativen.
Burger oder Disk, Wurst oder Bratstück – wie appetitlich darf die Bezeichnung veganer Fleischalternativen sein ?
Im zweiten Teil zur Frage der rechtmäßigen Bezeichnung veganer Alternativen zu tierischen Produkten wenden wir uns dem Thema der zulässigen Bezeichnung veganer Fleischalternativen zu.
Im Bereich von Fleischprodukten konnten sich die Verbände auf EU-Ebene mit der Initiative, fleischähnliche Bezeichnungen zu verbieten, nicht durchsetzen.[1]Foodingredientsfirst, „EU rejects “veggie burger” ban but prohibits dairy-like names for vegan products“, … Weiterlesen Am 26. Oktober 2020 lehnte das Europäische Parlament den Antrag ab, Bezeichnungen wie Burger oder Wurst für vegane Produkte zu verbieten.
Vor diesem Hintergrund ist z. B. die Bezeichnung „veganes Cordon Bleu“, wie wir sie auch auf dem Markt vorfinden, erlaubt.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es allerdings noch eine weitere potenziell einschränkende Quelle bei der Produktbezeichnung veganer Fleischalternativen:
Die deutsche Lebensmittelbuchkommission
Die deutsche Lebensmittelbuchkommission hat „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ entwickelt.
Hierbei meint die Expertenkommission die europaweit spätestens mit Ablehnung der Burgerban-Initiative bewusst nicht regulierte Verwendung veganer Fleischalternativen weiter einschränken zu müssen, um eine Täuschung der Verbrauchenden zu vermeiden.
So regt die Kommission in dem Leitsatz vom Dezember 2018[2]Siehe hierzu die Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs unter … Weiterlesen unter anderem an:
„Bezeichnungen für vegane und vegetarische Lebensmittel, die auf ganze Fische, Krebs- und Weichtiere Bezug nehmen, oder Bezeichnungen für vegane und vegetarische Lebensmittel, die sich an Bezeichnungen für spezielle gewachsene Teilstücke dieser Tiere („-Filet“, „-Steak“, „-Kotelett“, „-Schwänze“, „-Tuben“, „-Scheren“) anlehnen, sind nicht üblich, soweit keine weitgehende sensorische Ähnlichkeit zum in Bezug genommenen Lebensmittel tierischen Ursprungs besteht, insbesondere in Aussehen, Textur und Mundgefühl.“
Die Empfehlungen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission gehören zu dem Phänomen des Soft Law in Form einer nicht verbindlichen Leitlinie. Gleichwohl werden die Empfehlungen von Gerichten bei der Auslegung von Rechtsfragen wie ein Sachverständigengutachten gewertet, wenn die Marktüblichkeit eines Sachverhalts zu klären ist.
Zu diesen Einschränkungen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission ist kritisch anzumerken, dass die Kommission nicht demokratisch legitimiert ist. Ein Verbot von fleischähnlichen Bezeichnungen dürfte nach dem Gewaltenteilungsprinzip nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Die sachverständige Begutachtung hätte sich daher auf die Klärung der unbestimmten Rechtsbegriffe vegan und vegetarisch beschränken sollen, da deren Marktüblichkeit nicht gesetzlich definiert und daher klärungsbedürftig war. Wie vegane Produkte im Verhältnis zu Fleisch- und Milchprodukten abweichend von europäischen Regeln bezeichnet werden dürfen, sollte zumindest der demokratisch legitimierte Gesetzgeber entscheiden. Zudem wirken die Formulierungen überregulatorisch und praxisfremd.[3]Mehr zu den Einschränkungen der Lebensmittelbuch-Kommission und weitere Kritik siehe Gottwald/Müller-Amenitsch Urteilssammlung Veggie Food, Behrs Verlag 1.Auflage 2020 S.34 ff..
Besser: ein weltweit geltender Industriestandard
Was im Bereich vegan und vegetarisch tatsächlich marktüblich ist, ist in dem weltweiten Industriestandard der ISO-Norm ISO WD 23662 mittlerweile definiert. Weitergehende Definitionen sind aus Sicht des Autors nicht mehr erforderlich, zumindest wären sie aber vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu veranlassen.
Gleichwohl werden entsprechende Beschränkungen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission von vielen Gerichten als vorgezogenes Sachverständigengutachten gewertet.
Fazit:
Allen gegenläufigen Bemühungen zum Trotz verstärkt sich der Trend zu pflanzenbasierten Alternativen in der Ernährung. Regulatorisch lässt sich das steigende Interesse, tierleidfrei und CO2- optimiert zu konsumieren, nicht unterdrücken.
Der Wachstumsschub, wie ihn Unternehmen wie Beyond Meat oder bei uns in der Bundesrepublik Deutschland die Rügenwalder Mühle im pflanzenbasierten Bereich erfahren haben, wird letztendlich dazu führen, dass der Markt produktions- und vertriebsfreundliche Regulationen einfordert.
Diesem Marktruf folgend, entwickelte die Industrie selbst eine internationale Norm in Form des ISO-Standards zur Definition veganer und vegetarischer Lebensmittel, die im März 2021 veröffentlicht wurde.[4]Voraussichtlich im Juli 2021 wird zu dem weltweit geltenden Industriestandard für vegane und vegetarische Lebensmittel ein Kommentar mit Rechtsanwalt Ralf-Müller-Amentisch als CO-Autoren … Weiterlesen
In einem weiteren Beitrag wird der Autor, der als PETA-Experte an der Kommission teilgenommen hat, über die spezifischen rechtlichen Themen der ISO-Norm für vegane und vegetarische Lebensmittel berichten.
ist als selbständiger Rechtsanwalt in Berlin tätig. Er organisiert internationale juristische Symposien zu Tierrechts- und Nahrungsrechtsthemen. Zudem unterrichtet er als Lehrbeauftragter für pflanzenbasiertes Verbraucherrecht und Tierrechte an der Fachhochschule des Mittelstandes. Ferner ist er stellvertretender Obmann der DIN-Kommission (DIN NA057-08-03AA „vegane und vegetarische Lebensmittel“) sowie internationaler Experte der ISO-Kommission (ISO WD 23662) zur Definition der Begriffe „vegan und vegetarisch“ für einen weltweiten Industriestandard.
Quellen